Fernbeziehungen: So nah und doch so fern

Selten ist die Liebe körperlich so stark zu fühlen wie in Augenblicken des Abschieds. Je länger die Trennung, desto stärker ist im gesamten Körper zu spüren, wie sich jede einzelne Faser zum geliebtem Partner hingezogen fühlt.

In der Forschung und statistischen Aufarbeitung wurde das Thema Fernbeziehungen bisher stark vernachlässigt. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland für rund jedes zehnte Paar der regelmäßige Abschied ein fester Bestandteil der Beziehung ist. Bei Akademikern soll der Anteil sogar 25 Prozent betragen. Grundlage für diese Schätzung sind Paare mit zwei getrennten Wohnsitzen. Rechnet man noch die Partnerschaften mit einem gemeinsamen Wohnsitz hinzu, bei denen ein Teil regelmäßig für längere Zeit weg ist (Montage, Fernfahrer, Auslandseinsatz…), erreicht der Anteil der Fernbeziehungen deutlich höhere Werte.

Wie freiwillig ist die Fernbeziehung?

Grundsätzlich kann zwischen zwei Arten von Fernbeziehungen unterschieden werden: eine Fernbeziehung, bei der beide Partner noch keinen gemeinsamen Wohnsitz hatten und eine Fernbeziehung, die aus veränderten Lebensumständen hervorgeht.

Erstere steht oft am Anfang einer Beziehung. Es gab noch keinen gemeinsamen Alltag, beide Partner zeigen sich in den Zeiten des Beisammenseins von ihren besten Seiten, Konfliktpotential wird auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Wochenenden sind bestimmt von gemeinsamen exklusiven Unternehmungen und ausgiebigen Zärtlichkeiten.

Anders sieht es bei Fernbeziehungen aus, die nach Jahren eines gemeinsamen Haushalts oder als Familie mit Kindern entstehen. Sie entstehen meist berufsbedingt und stellen die Familie vor eine schwere Entscheidung: Job oder Familienleben wie bisher? Oft bleibt dem Hauptverdiener auch keine Wahl, um die finanzielle Sicherheit zu gewährleisten. Diese Situation ist für beide Partner deutlich schwieriger als eine Fernbeziehung vor dem gemeinsamen Haushalt, da im gewohnten Alltag eine deutliche Lücke entsteht und etwas verloren geht, was vorher da war. Wichtig ist in diesem Fall, dass sich beide Partner bewusst machen: die räumliche Distanz bedeutet nicht nur Verlust, sondern auch eine gewisse Freiheit: Freiheit, mal wieder seinem Hobby ohne schlechtem Gewissen zu frönen. Freiheit, sich dem Job ganz zu widmen – Überstunden inklusive. Freiheit, keine Kompromisse beim Fernsehen eingehen zu müssen. Freiheit für Klönabende mit Freundinnen oder Kumpeln, Freiheit beim Speiseplan, Freiheit einfach mal früh ins Bett zu gehen… Auch wenn man diese Freiheiten gern gegen die Beziehung auf Distanz eintauschen würde – wenn sie schon mal da sind, kann man sie auch nutzen!

Scheitern ist nicht vorprogrammiert

Eine räumliche Trennung bedeutet nicht zwangsläufig das Ende einer Beziehung. Beide Partner können einiges dafür tun, das die Distanz sich auf das Räumliche beschränkt und nicht auf das Seelische ausdehnt.

Vertrauen

Das Wichtigste in diesem Fall ist das gegenseitige Vertrauen. Ständige Kontrollanrufe oder Fragen wie „Was machst Du gerade?“ nerven den Partner und setzen ihn unnötig unter Druck. Die getrennt verbrachte Zeit sollte nicht von ständigen Zweifeln oder schlechtem Gewissen geprägt sein. Die Gefühle zueinander verändern sich nicht durch eine räumliche Trennung und Vertrauen bewahrt die Lockerheit und Ungezwungenheit der gewohnten Beziehung!

Nähe

Auch in den Tagen der Trennung ist Nähe wichtig, d.h. beide Partner sollten Anteil am Alltag des anderen nehmen. Sei es per Telefon, E-Mail oder Chat –  Alltagserlebnisse, Gefühle, Neuigkeiten etc. können auch über die Entfernung hinweg täglich miteinander geteilt werden. Besonders der schriftliche Austausch von Erlebnissen und Gefühlen schafft eine große Nähe. Die gegenseitige Anteilnahme am Alltagsleben des anderen verbindet und bildet somit eine gute Ausgangsbasis für das nächste Wiedersehen.

Erwartungen

Eine große Hürde bei vielen Fernbeziehungen sind die hohen Erwartungen an die gemeinsame Zeit. Hier wird oft in wenige Tage all das gepresst, was bei der Trennung auf der Strecke bleibt. Weniger ist hier oft mehr: je normaler die gemeinsame Zeit, desto beständiger das Glück. Auch Streit, Diskussionen oder faules Nichtstun müssen mal sein, sonst hört die Beziehung irgendwann auf, authentisch zu sein.

Leidenschaft

Für viele Beziehungen sind Langeweile und Alltagstrott echte Liebeskiller. Gerade diese beiden Aspekte sind bei Fernbeziehungen ausgeklammert. Hier ist die Chance, das Kribbeln der ersten Dates für lange Zeit zu bewahren. Auch die Vorfreude auf die gemeinsamen Tage, das Wiedersehen und die immer neue Verführung bringen neuen Schwung ins Liebesleben.

Ziele

Pläne schmieden verbindet – sei es für das nächste Treffen, den gemeinsamen Urlaub oder für eine Zukunft mit Kindern. Soll die Beziehung langfristig funktionieren, müssen auch diese Themen auf den Tisch, genau wie bei allen anderen Paaren.

Zeithorizont

Gerade wenn die Fernbeziehung nicht wirklich freiwillig ist (Studium, Beruf), gibt ein fester zeitlicher Rahmen ein großes Gefühl von Sicherheit. Das Bewusstsein, nicht endlos in diesem nicht 100prozentig befriedigenden Zustand festzuhängen, erhöht die Toleranz gegenüber der Situation. Wird eine Fernbeziehung aus einer normalen Familiensituation heraus nötig, sollte bereits im Vorfeld über einen Plan B nachgedacht werden, der in Kraft tritt, wenn eine Beziehung auf Ferne nicht funktioniert. Dem Gefühl der Hilflosigkeit wird so rechtzeitig entgegengewirkt.

Auch wenn eine Fernbeziehung etwas Besonderes im Beziehungsalltag ist, außergewöhnlich ist sie heutzutage nicht mehr. Und wie jedes andere Paar auch, haben „Fernpaare“ ihre normalen Beziehungsprobleme, Alltagsstreitigkeiten oder Differenzen. Das Internet bietet hilfreiche Angebot wie Beispielsweise der Autor für Beziehungsratgeber www.martin-von-bergen.info. In der Regel führt dann nicht die Entfernung zum Scheitern der Beziehung, sondern die Punkte, die auch bei zusammenlebenden Paaren die größten Hürden darstellen: andere Ziele, Entfremdung, Untreue oder einfach die Erkenntnis: „Es passt nicht.“